In der entwicklungspolitischen Diskussion hat sich ein bemerkenswerter sprachlicher Wandel vollzogen: Der früher gebräuchliche Begriff "Entwicklungshilfe" wurde zunehmend durch "Entwicklungszusammenarbeit" abgelöst. Diese terminologische Veränderung ist weit mehr als eine oberflächliche Umbenennung – sie spiegelt einen fundamentalen Paradigmenwechsel im Verständnis globaler Entwicklungsbeziehungen wider und markiert eine bedeutsame Neuausrichtung in der Art und Weise, wie wohlhabendere Nationen mit Ländern des globalen Südens interagieren.
Historie des Begriffswandels
Bis in die 1980er-Jahre wurden entwicklungspolitische Maßnahmen überwiegend als "Entwicklungshilfe" bezeichnet. Diese Terminologie war tief verwurzelt in einem kolonialen Verständnis internationaler Beziehungen. Seit den 1990er-Jahren jedoch begann die partnerschaftlich orientierte "Entwicklungszusammenarbeit" den älteren Begriff sukzessive abzulösen. Dieser Begriffswandel illustriert den wachsenden Anspruch einer partnerschaftlichen Gleichberechtigung zwischen Geber- und Empfängerländern, im deutlichen Gegensatz zu der besonders in den Anfangsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg und der Dekolonisierung dominierenden Rolle der Geberländer.
Diese terminologische Verschiebung reflektiert einen tiefgreifenden Wandel im entwicklungspolitischen Denken. Lange Zeit wurde Entwicklungsarbeit als eine Einbahnstraße vom reichen Norden in den armen Süden der Welt betrachtet – aus dieser Zeit stammt der Begriff der Entwicklungshilfe. Das heutige Verständnis hingegen betont die Zusammenarbeit als partnerschaftliches Projekt.
Von Hierarchie zu Partnerschaft
Der Begriff "Entwicklungshilfe" impliziert eine Überlegenheit der Industrieländer und nimmt eine klare Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vor. Diese Dichotomie verstärkt ungleiche Machtverhältnisse und suggeriert ein hierarchisches Gefälle. Diplomatische Vertreter afrikanischer Staaten haben deutlich für einen Paradigmenwechsel in der Entwicklungszusammenarbeit plädiert, bei dem das Konzept der Entwicklungshilfe revidiert werden sollte, um eine Zusammenarbeit zwischen Gleichberechtigten zu ermöglichen.
Im Gegensatz dazu drückt der Begriff "Entwicklungszusammenarbeit" ein partnerschaftliches Miteinander aus – genau das, was sich hinter der Arbeit tatsächlich verbirgt. Er betont die gemeinsame Verantwortung und den Respekt vor der Autonomie und den Fähigkeiten der beteiligten Länder. Man müsse aus der Geber-Nehmer-Position herauskommen und zu einer partnerschaftlichen Beziehung finden, so der allgemeine Tenor.
Moderne Konzepte der Entwicklungszusammenarbeit
Moderne Entwicklungszusammenarbeit hat nichts mehr mit den früheren Vorstellungen von "Entwicklungshilfe" und dem Verteilen von Almosen zu tun. Sie basiert auf einer partnerschaftlichen Kooperation mit gegenseitigem Lernen, fördert die Selbsthilfe und trägt dazu bei, dass Menschen sich aus eigener Kraft aus ihrer Armut befreien können.
Das Grundprinzip lautet dabei: "Hilfe zur Selbsthilfe". Menschen, die in Ländern leben, die von Hunger, Armut und Krankheit geprägt sind, bewirken durch die gemeinsame Arbeit nachhaltige Veränderungen in ihren Ländern. Die Länder werden dabei als gleichberechtigte Partner statt als Hilfeempfänger angesehen. Dies steht im Gegensatz zur Nothilfe in Krisensituationen, die zwar wichtig, aber nicht auf langfristige strukturelle Veränderungen ausgerichtet ist.
Entwicklungszusammenarbeit umfasst sowohl die technische, finanzielle als auch personelle Zusammenarbeit. Sie wird als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden, die von privaten und öffentlichen Einrichtungen erfüllt wird und sich neben den wirtschaftlichen auch den sozialen und ökologischen Problemen der Partnerländer widmet.
Die Bedeutung für die Praxis
Die terminologische Verschiebung hat konkrete Auswirkungen auf die praktische Ausgestaltung der Entwicklungsarbeit. In der Praxis bedeutet dies, dass Projekte und Maßnahmen immer gemeinsam mit den Menschen im betroffenen Land geplant, durchgeführt und verantwortet werden. Diese partizipative Herangehensweise steht im Kontrast zum früheren Ansatz, bei dem Entwicklungshilfe oft ohne ausreichende Berücksichtigung lokaler Bedürfnisse und Kontexte konzipiert wurde.
Dieser Wandel spiegelt sich auch in institutionellen Bezeichnungen wider. So wurde beispielsweise in der Schweiz der "Dienst für technische Hilfe" später zum "Dienst für technische Zusammenarbeit" umbenannt und entwickelte sich schließlich zur "Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)". Diese Umbenennungen sind nicht nur kosmetischer Natur, sondern reflektieren eine grundlegende konzeptionelle Neuorientierung.
Mehr als eine sprachliche Veränderung
Der Wandel von "Entwicklungshilfe" zu "Entwicklungszusammenarbeit" repräsentiert einen wesentlichen Fortschritt im Verständnis globaler Entwicklungsbeziehungen. Er markiert die Abkehr von einem paternalistischen, hierarchischen Modell hin zu einem auf gegenseitigem Respekt und Partnerschaft basierenden Ansatz. Diese Neuorientierung erkennt an, dass nachhaltige Entwicklung nur durch gleichberechtigte Zusammenarbeit, lokale Eigenverantwortung und gemeinsames Lernen erreicht werden kann.
In einer zunehmend vernetzten und interdependenten Welt ist dieser Paradigmenwechsel nicht nur ethisch geboten, sondern auch pragmatisch sinnvoll. Denn nur wenn Entwicklungsinitiativen von den betroffenen Menschen selbst mitgetragen und gestaltet werden, können sie langfristig wirksam sein und zu einem selbstbestimmten Leben führen – dem eigentlichen Ziel jeder Entwicklungszusammenarbeit.
Referenzen:
- Wikipedia – Entwicklungszusammenarbeit
- Swiss Doctors – Von der Entwicklungshilfe zur Entwicklungszusammenarbeit
- Parlament Österreich – Entwicklungszusammenarbeit braucht einen Paradigmenwechsel
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Warum brauchen wir Entwicklungspolitik?